Nach Lauwersoog
Drei weitere Tage bin ich nun schon einhand unterwegs. Nach der Ankunft in Zoutkamp am Sonntag habe ich am Montag ein paar Informationen zum Thema Winterlager eingeholt. Aber das Wetter versprach einigermassen gut zu bleiben und meine Erfahrungen vom Sonntag waren nicht zu schlecht - ich nahm mir also vor, doch noch einen kleinen Ausflug zu wagen. Ich wollte nach Lauwersoog, und dafür sprach dreierlei: Erstens wurde die Fahrt über das Naturschutzgebiet Lauwersmeer (Meer ist im Holländischen ein Binnensee) von allen Seiten angepriesen. Zweitens liegt Lauwersoog am Deich zwischen Lauwersmeer und Lauwerszee, einem Teil der Waddenzee (Zee ist im Holländischen das Meer). Drittens versprach das Wetter einen Motortag gegen den Wind und danach einen perfekten Tag, um mit halbem bis achterlichen Wind nicht nur einhand zu motoren, sondern wenigstens unter Genua auch richtig zu segeln.
Am Montagmittag legte ich also in Hunzegat/Zoutkamp ab und fuhr aus dem Hafen, wo mir der stramme Nordwestwind schon ein bisschen Respekt einflösste. Aber es war halb so wild. Das Lauwersmeer ist ein flaches Gewässer mit gut markierten Fahrwassern. Links und rechts davon aber wird es schnell sehr flach und es wachsen üppige Schilf- und Graswiesen, auf den Hochlandrinder und halbwilde Pferde weiden.
Ausserdem ist das gesamte Areal ein riesiges Vogelschutzgebiet, wo man zahlreiche Arten aus grosser Nähe bewundern kann, wohl auch Seeadler, aber das war mir nicht vergönnt, stattdessen verschiedenste Möwen-, Enten-, Gänse- und Taucherarten, Silberreiher. Schön.
Nach Norden hin öffnet sich das Gewässer immer mehr und baut bei den 4-5 Windstärken auch so etwas wie ein bisschen Welle auf. Zum Glück gibt es einen Kartenplotter, der einem bei der Orientierung zwischen den vielen Fahrwassertonnen sehr hilft. Wenn man sich gerade in der Realität nicht zurechtfindet, helfen immer noch die einheimischen Bootfahrer, denen man - vorsichtig und immer verifizierend - folgen kann. Gut zwei Stunden nach Abfahrt kam ich bereits im sehr grossen Binnenhafen von Lauwersoog an. Ich legte mich längsseits an einen Gästesteg. Dann unternahm ich einen kleinen Spaziergang auf die andere Seite des Deiches, wo ich mal wieder einen Blick auf das Watt und die Nordsee werfen konnte.
Der Blick in Richtung Schiermonikoog ist super. Ausserdem gibt es im Aussenhafen einen Bootszubehörladen mit mittelfreundlichem Personal, aber immerhin hatten die ein Topplicht, das ich nun über den Winter mal installieren kann, damit endlich alles am Boot funktioniert. Als ich zurück zum Boot kam, war ich ziemlich eingeparkt und konnte so schon einmal anfangen, mir Gedanken zu machen, wie ich da am Dienstag wieder rauskomme, falls die anderen länger bleiben als ich.
Endlich auch Segeln einhand
Am Dienstag gegen Mittag verzog sich der erste Regen. Der Wind blieb um die 4 Beaufort aus Nordwest, sollte später auf West drehen. Aber erstmal musste ich ablegen. Da hilft, was ich schon von vielen Einhandseglern gelesen und gehört hatte: Zeit lassen. Also bereitete ich alles vor und überlegte mir verschiedene Möglichkeiten. Um zu testen, welche wohl am praktikabelsten sein könnte, löste ich vorsichtig verschiedene Leinen um zu sehen, was passiert. Wohin treibt CINNA NAUKA? Komme ich so raus? Gefiel mir das Resultat nicht, machte ich wieder fest. Es stellte sich heraus, dass ich wohl am besten rückwärts rauskomme, indem ich die Vorleine bis zuletzt stehen lasse und nach dem Loswerfen schnell achteraus wegfahre. Das ist aber nur gut möglich, wenn man Hilfe von aussen hat, und glücklicherweise fand sich eine freundliche Seglerin bereit, mir im richtigen Moment die Leine zu lösen und an Bord zu werfen. Damit war ich mal frei und konnte nun aus dem Hafenbecken manövrieren. Der nächste Schritt war weiteres Neuland für mich. Ich stoppte im kleinen Vorhafen das Boot auf, liess es treiben und holte Fender ein und klarierte Leinen, immer wieder prüfend, was CINNA NAUKA nun macht und im Zweifelsfall zwischendurch korrigierend. Es stellte sich heraus, dass man doch recht viel Zeit hat, um auf diese Weise Sachen zu erledigen. Danach ging es westwärts durch die Hafenzufahrt wieder hinaus, mehr oder weniger gegen den Wind, aber nach einer knappen Meile konnte ich abfallen und nun - einigermassen nervös - die Genua zu etwa drei Viertel ausrollen. Auf dem Halbwindkurs lief CINNA NAUKA gleich mal mit 5 Knoten zu Rauschefahrt auf.
Je weiter man nach binnen kommt, desto mehr musste ich abfallen und desto zahmer wurde auch der Wind, und so segelte ich mit guten 3-4 Knoten im Schnitt wieder landeinwärts. Nun stand noch die Entscheidung an, ob ich direkt nach Zoutkamp zurückfahren oder doch eine Nacht an einem der kostenlosen Stege von Marrekite mitten im See verbringen will. Der Steg am südlichen Ende des offenen Lauwersmeers tat es mir dann an. Direkt daneben holte ich einem spontanen Entschluss folgend die Genua ein, startete den Motor und machte fest. Mittagessen, Mittagsschlaf, Lesen und Landschaft geniessen waren angesagt. Eine fantastische Einrichtung, diese Stege.
Das wusste auch eine andere Crew einer Centaur ("Noorderzon") zu schätzen, die im Laufe des Nachmittags hinter mir festmachte und mit der ich später noch bei nettem Austausch zwei Bierchen trank. Zwischendurch gab es ein paar Mal kräftige Schauer mit vorausziehenden Böen um Windstärke 5-6.
Aber man liegt dort wirklich sicher, und mit dem Bug im Wind kann man im Cockpit unter der Sprayhood sitzen und dem Spektakel zuschauen. Eindrücklich.
Hochmut kommt vor dem Fall
Nach einer erholsamen und sehr dunklen Nacht mit unglaublich klarem Sternenhimmel - das Lauwersmeer gilt als eine der am wenigsten lichtverschmutzen Gegenden Europas und es war kurz nach Neumond - begann der Morgen ruhig, hielt aber auch noch ein paar Schauerböen parat.
Erst am Mittag beruhigte sich das Ganze, und der Wind aus Westnordwest - schräg von vorn und weg vom Steg - brachte mich auf die Idee, unter diesen idealen Bedingungen doch einmal das Ablegen unter Segeln zu versuchen. Die Maschine lief natürlich im Leerlauf mit - zur Sicherheit. Aber ich hatte einen Plan. Ich war mit einer Vorleine, einer Achterleine und meiner Mittelleine fest. Zuerst löste ich die Vorleine und stieg wieder aufs Boot, machte die Vorleine direkt wieder gebrauchsfertig. Danach musste es etwas schneller gehen. Nach dem Lösen der Mittelleine trieb CINNA NAUKA, nur von der Achterleine gehalten, mit der Nase vom Steg weg. Nun musste schnell ein Stück Genua ausgerollt und dichtgeholt werden, um nicht gegen die hinter mir liegende Noorderzon zu treiben. Während CINNA NAUKA mit der Genua Fahrt aufnahm, holte ich die Achterleine ein und war tatsächlich weg. Die Crew der Noorderzon und zwei gerade vorbeifahrende Segelboote waren sichtlich beeindruckt und zeigten mit Daumen hoch ihre Anerkennung - da fühlt man sich gleich richtig gut und kriegt innere Höhenflüge. Aber keine Sorge, das Hochgefühl wird beim Alleinsegeln anscheinend immer wieder und schnell gedämpft. So auch heute. Zunächst aber Sahnesegeln, sogar bis in die Hafeneinfahrt von Zoutkamp. Das war dann doch etwas zu gewagt, denn beim Anluven in den doch eher engen Hafen hinein nahm CINNA NAUKA noch einmal gewaltig Fahrt auf, so dass ich sehr schnell das Segel bergen und den Motor als Bremse gebrauchen musste. So im Schuss fuhr ich direkt an den nächsten freien Fingersteg, ohne mir weiter Gedanken zu machen. Schliesslich hatte das ja bisher immer gut geklappt. Aber heute die falsche Seite: Der Wind trieb mich vom Steg weg auf das Nachbarsboot. Zum Glück waren wir gefendert und es passierte nichts. Aber es brauchte eine Weile, um zurück an den Fingersteg zu kommen und dort festzumachen. Viele Fehler auf einmal, der wichtigste aber: Ich habe zu schnell agiert. Ich hätte nach dem Segelbergen in Ruhe im Hafenbecken eine Runde drehen können, kurz über das Anlegemanöver nachdenken, alles vorbereiten. So war es halt ein bisschen peinlich und für mich selbst ärgerlich. Und wieder was gelernt.
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