Freitag, 22. Juni 2018

EASR-Tagung 2018


EASR-Tagung in Bern 2018:

Multiple Religious Identities


Vom 17. bis zum 21.6.2018 fand in Bern, organisiert durch das Institut für Religionswissenschaft an der dortigen Universität, die Jahrestagung der European Association for the Study of Religions (EASR) statt. Zuerst einmal: Herzlichen Glückwunsch und herzlichen Dank an das ganze Organisatorenteam um Prof. Dr. Jens Schlieter, Dr. Eva Tyrell und Dr. Oliver Steffen für ihre grossartige Arbeit und die gelungene Kommunikation. 
Tagungsthema war die Erforschung von und der Umgang mit multiplen religiösen Identitäten. Die Frage war sozusagen – sehr allgemein formuliert –, ob und wie man sich von der tief verankerten europäischen Grundannahme befreien kann, ein Mensch könne nur einer Religion angehören. Eine gute und wichtige Frage! Die Panels und Vorträge, die ich zwischen Sonntagnachmittag und Mittwochvormittag hören konnte, haben sich allerdings nicht alle mit diesem Thema befasst – zumindest war der Bezug zum Thema für mich nicht in jedem Fall erkennbar. Die Aussage ist allerdings kaum qualifiziert zu verallgemeinern, da die Panel-Zeiten immer mit 10-16 parallelen Panels gefüllt waren, so dass man vom Gesamtprogramm vergleichsweise wenig mitnehmen konnte. Das ist inzwischen so üblich bei grösseren wissenschaftlichen Conventions. Es hat seine Vorzüge und gravierende Mängel, aber das kann man ja bei anderer Gelegenheit einmal thematisieren.
Nebenbei bemerkt: Die immer wiederkehrende Aussage, dass von der Tagung, vom Panel, vom Vortrag oder allgemein von der Forschung eher viele neue Fragen als überhaupt eine Antwort zu erwarten seien, langweilt nicht nur. Sie ist auch ziemlich kontraproduktiv, wenn es um öffentliche Wahrnehmung und Relevanz von wissenschaftlicher Arbeit geht. Man darf da durchaus mehr Selbstbewusstsein an den Tag legen (s. gleich unter Punkt 3).
Unabhängig von den Inhalten, die ich hören durfte und zum Teil durchaus interessant und spannend fand, habe ich nach einiger Zeit der Konferenzen-Abstinenz drei Erkenntnisse mitgenommen:

1.       Über ein Jahrzehnt hochschuldidaktischer Diskurse findet fast keinen Niederschlag auf Konferenzen. Bei wissenschaftlichen Vorträgen gewinnt man allzu oft (weiterhin, immer noch, einfach?) den Eindruck, dass die Autor*innen davon ausgehen, der wissenschaftliche Inhalt allein garantiere für einen guten Vortrag. Dabei ist inzwischen mehr als gut belegt, dass die Performanz für die Wirkung eines Vortrages deutlich höher zu gewichten ist als der Inhalt allein. Und Rezepte dafür – in Form von Tipps, Präsentations- und Rhetorikkursen – gibt es zuhauf und allenthalben. Also, liebe Profs und zukünftige: Schickt nicht nur Eure Mitarbeitenden und Assistierenden da hin, sondern versucht es auch selbst mal. Wenn der Inhalt stimmt – und davon gehen wir ja aus – kann der Vortrag von einer guten und etwas unterhaltsamen Performanz nur gewinnen. Je grösser das Publikum, desto mehr. Dann bleibt auch mehr vom Inhalt hängen.

2.       So schön es auch ist, möglichst Vielen die Gelegenheit zum Vortrag zu geben: Weniger ist mehr. Die Anzahl der parallel stattfindenden Panels hat bei vergleichbaren Konferenzen in den letzten zwei Jahrzehnten kontinuierlich zugenommen. Der Zwang, möglichst viele Vorträge auf den eigenen Listen zu sammeln, ist für alle halbwegs ambitionierten Wissenschaftsaspirant*innen noch viel schneller gewachsen. Das bedingt sich irgendwie gegenseitig. Trotzdem: Wenn man die Kommunikation fördern will, ist es besser, wenn mehr Leute in den gleichen Panels sitzen und später miteinander über die gemeinsam gehörten Inhalte diskutieren können. Und wenn man den Nachwuchs wirklich fördern will, ist es besser, wenn weniger Vorträge zugelassen werden, so dass die aktive Teilnahme mehr als ein Listen-Item ist, nämlich so etwas wie eine Auszeichnung. Dazu braucht es den Mut zu mehr Selektion (und saubere, offengelegte Selektionsmechanismen).

3.      Ein Hoch auf die Begeisterung fürs Fachliche, die nicht immer aus den Vorträgen spricht (siehe 1.), aber immer wieder in der so wichtigen informellen Kommunikation zum Vorschein und zum Tragen kommt. Erfreulich auch, dass es immer mehr engagierte Versuche gibt, wissenschaftliche Erkenntnis und vor allem theoretische Erkenntnis und Methodenreflektion in sehr handfeste Anwendungsbereiche zu transferieren. Hut ab für den Mut, das auch so auf einer Tagung zu präsentieren, wo die Akzeptanz dafür (noch) nicht garantiert ist!