Gedenken an den Guru im Schloss - 50 Jahre Hare Krishnas
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Neu gesetzte Gedenkplakette beim Schloss Rettershof |
Romantikhotel Schloss Rettershof am 1. Juli 2016. Gegen 13 Uhr kommen einige Fahrzeuge an, aus denen etwa zwanzig Männer und Frauen in indischen Gewändern steigen. Die Jüngeren unter ihnen kennen den Ort nur vom Hörensagen, die Älteren haben hier selbst zwischen 1974 und 1980 gewohnt und den Tempel der Internationalen Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein betrieben. Von hier aus haben sie sich bemüht, Krishnabewusstsein in ganz Deutschland zu verbreiten. Diesen Sommer wird ihre Gesellschaft 50 Jahre alt. 1966 wurde sie in New York von einem 70jährigen indischen Guru namens A.C. Bhaktivedanta Swami – von seinen Schülern Prabhupada genannt – unter dem Namen International Society for Krishna Consciousness (ISKCON) offiziell registriert. Bekannt geworden ist sie unter dem Namen «Hare Krishnas», nach dem Mantra, das sie immer und immer rezitieren. Schon 1969 kamen die ersten Krishnas aus den USA nach Europa – zunächst nach London, dann folgten Paris und bald Hamburg. Die Bewegung fasste schnell überall Fuß, profitierte vom spirituellen Aufbruch der Hippie-Zeit und von der Popularität, die ihr die Nähe zu den Beatles, vor allem George Harrison, einbrachte. Im Frühjahr 1974 mietete man Schloss Rettershof an. Schon im Juni desselben Jahres stattete Prabhupada dem Schloss seinen einzigen Besuch ab. Die ISKCON blieb sechs Jahre im Schloss, bis ab Ende der 1970er Jahre Skandale die Bewegung erschütterten. Bereits Ende 1974 hatte eine grossangelegte Polizeiaktion unter dem Vorwurf des Bettelbetruges, der Urkundenfälschung und der Kindesentführung stattgefunden, in deren Folge das Vermögen der ISKCON Deutschland beschlagnahmt wurde. Die danach sich verstärkende polemische Berichterstattung sowie die weltweit immer mehr zutage tretende Führungskrise nach dem Ableben des Gründers 1977 sorgten für schwerwiegende Probleme. 1980 musste das Schloss wieder aufgegeben werden und man suchte sich neue, bescheidenere Räumlichkeiten. Manch einer unter den Anwesenden beim Jubiläum bedauert, dass man das Schloss 1974 nicht doch gleich gekauft hat.
Die heutige Verantwortliche für die ISKCON in Deutschland, Dina
Sharana Devi Dasi, ist seit den Anfängen dabei, 1974 wurde sie in Schloss
Rettershof eingeweiht und erhielt dabei ihren spirituellen Namen. Seit vielen
Jahren bemüht sie sich um die organisatorischen Belange und hält die Fäden
zusammen. Jetzt ist sie Beauftragte des zentralen ISKCON-Leitungsgremiums (Governing
Body Comission, GBC) für den gesamten deutschsprachigen Raum. Sie bemüht sich intensiv
um die Beseitigung der vielen Baustellen, die aus der Krisenzeit der ISKCON zwischen
den späten 1970er und den späten 1990er Jahren noch reichlich übriggeblieben
sind. Da sind Finanzen zu sanieren, Tempel zu leiten und zu betreiben. Der
Mitgliederstand soll gehalten, besser wieder erweitert werden. Auch der Ruf
will saniert sein, der in den Sektendebatten der 1980er und 1990er doch
erheblich unter der polemischen Berichterstattung und auch unter hausgemachten
Krisen gelitten hatte. Dabei hilft eine kritische Auseinandersetzung mit der
eigenen Vergangenheit, wie die ISKCON sie v.a. seit den Feierlichkeiten zum
100. Geburtstag des Gründers 1996 intensiv führt. Die Initiatoren der
Reformbestrebungen weltweit hatten dabei mit vielen Widerständen zu kämpfen,
sind aber inzwischen sehr erfolgreich.
In diesem Jahr gehört die Organiation der Jubiläumsfeierlichkeiten
zu den wichtigen Aufgaben der führenden deutschen Devotees. Schloss Rettershof
und der nur einige Kilometer entfernt gelegene Tempel Hari Nama Desh bei
Hohenstein sind Austragungsort der Feierlichkeiten Anfang Juli, zu denen neben
Dina Sharana auch einige weitere Prabhupada-Schüler und ehemalige Bewohner des
Schlosses anreisten. Trotz aller Reform und Kritik geniessen diese direkten
Schüler in der ISKCON eine besondere Stellung und Achtung.
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Prabhupada und seine Schüler sind noch einmal zum Schloss zurückgekehrt. |
Im Schloss Rettershof wurde mit einer
dreistündigen Veranstaltung des Jubiläums gedacht. Ich bin eingeladen, weil ich
ein Buch über die Hare
Krishnas geschrieben habe, über das man sich bei der ISKCON-Deutschland nach
Aussage des Kommunikationsbeauftragten der Bewegung, Vaidyanath Dasa, sehr
gefreut hat. Die Krishnas fühlen sich dadurch «authentisch in der
wissenschaftlichen Szene repräsentiert», schrieb er mir in einer Email. Unter
diesen Umständen bin ich der Einladung gern nachgekommen und verbringe also etwas
Zeit im Schloss. Eine lebensgrosse Figur Prabhupadas war dabei, man sang und
erzählte sich Geschichten aus der Zeit im Schloss. Das Management ermöglichte
eine kurze Besichtigung der Räumlichkeiten, worüber sich die Devotees sichtlich
freuten. In Erinnerung an die Anwesenheit Prabhupadas und der ISKCON auf dem
Gelände wurde ein Baum gepflanzt und ein Gedenkstein gesetzt, den man beim Parkplatz des Hotels besichtigen kann.
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