Sonntag, 17. Juli 2022

Ostseesegeln 2022 - Durch den Grossen Belt

Tunö

Die kleine Insel Tunö – ich schrieb es schon beim letzten Mal – gefiel uns auf Anhieb sehr gut. Wir blieben 3 Tage dort, um wieder einmal auf besseren Wind zu warten. Trotz Starkwind war das Wetter aber sehr schön und sommerlich. Auf einem kleinen Pfad kann man die Insel in etwa 2-3 Stunden einmal umrunden. Der Weg ist knapp 9 km lang und führt durch erstaunlich abwechslungsreiche Landschaften für eine so kleine Insel. Sandstrand gefolgt von sandiger steiler Abbruchküste, Felder von Wiesen und Brachland, dichte Eichenwälder, im Norden steinige Strände. Beim vorherrschenden westlichen Starkwind war die Westspitze mit Blick in Richtung Windpark und nach Aarhus besonders eindrücklich.


Im Hafen lagen wir neben einer 31-Fuss-Jeanneau, die Mikael und Anita mit ihren (fast erwachsenen) Kindern und dem Hund Luna gehört. Wir verstanden uns gut und tauschten verschiedene Gaben: Sie halfen uns mit Bargeld für Waschmaschine und Bauerhofstand (frische Erdbeeren und neue Kartoffeln!), wir versorgten sie mit Landstrom von der Hafenkarte und mit Pflastern gegen Anitas Rückenschmerzen…

Samsö

Bei eher schwachem Wind ging es dann gemütlich weiter südwärts zur Insel Samsö. Eigentlich wollten wir um die Südspitze herum und vielleicht sogar danach weit nach Norden. Aber der schwache Wind veranlasste uns, bereits nach 9sm in Kolby Kaas Station zu machen. 

Der ehemalige Fährhafen ist quasi verlassen und verwahrlost mehr oder weniger. Dänen, die wir darauf ansprachen, äusserten auch wenig Verständnis dafür, dass man da überhaupt hinfährt. Wenn man Ruhe sucht, ist es sicher eine gute Adresse. 

Hier buchten wir nach einigem Aufwand per App ein kleines Elektroauto, das allerdings nur für eine halbe Stunde frei war. Das reichte immerhin für eine Tour zum Leuchtturm auf der SO-Spitze der Insel und zurück.

Am nächsten Tag war Kontrastprogramm angesagt: Wir fuhren nach Ballen, dem Haupthafen der Insel. Als wir gegen Mittag ankamen, mussten wir bereits als vierte Reihe ins Päckchen. Der Hafen war bereits sehr voll, und er füllte sich bis am Abend noch erheblich mehr. Hier tobt offenbar das High Life in den dänischen Sommerferien. Und zudem war für die kommende Woche das Samsö-Festival angesagt. Wir genossen vor allem den leckeren geräucherten Fisch – Pfeffermakrele, Steinbutt, Lachs – mmmhhhh! Wir nutzten noch einmal die App und mieteten wieder ein E-Auto, dieses Mal für 2.5 Stunden. Das reichte bis an die geschützte flache Bucht im NW der Insel, ans Besser Rev und zum Hafen Langör. Die Sonne kündigte uns schon einmal den Starkwind der folgenden Tage an.

Ein sehr schöner Ausflug, bei dem wir die Insel wenigstens etwas kennenlernen konnten. Leider hatte sich schon zwei Tage zuvor herausgestellt, dass wir entgegen unserer Planung doch schon früher weiterfahren mussten. Wieder war starker Westwind angesagt, und das macht die Passage von Samsö in den Grossen Belt doch sehr ungemütlich. Das durften wir schon bei mittlerem Wind am nächsten Tag zur Genüge erfahren.

In den Grossen Belt

Da unsere Nachbarn (innenliegend) um 6 Uhr wegfahren wollten, wir ihnen also Platz machen mussten, schlossen wir uns kurzerhand mit der Aufbruchszeit an. Die beiden Boote, die noch aussen an unser Päckchen gekommen waren, machten es genauso. Der Morgen begann bei mässigem Wind und wenig Welle, aber beides steigerte sich, sobald wir den Schutz von Samsö verlassen hatten und über die offene Fläche auf den Grossen Belt zuhielten. Besonders um das mittendrin gelegene Flach herum kamen kräftige Wellen von der Seite herangerollt. Alles beruhigte sich wieder, als wir gegen 9:30 Uhr in die Abdeckung von Fünen segelten. Der Wind blieb kräftig, aber die Wellen liessen spürbar nach. Bereits am Mittag erreichten wir Kerteminde. Alles sah ein wenig anders aus, als die Karte vorgab. Ein Baggerschiff war unterwegs und viel Baubewegung war auf den Hafenmolen zu beobachten. Wir fuhren erst in den Kanal, wo aber der Baustellenlärm recht gross war. Daher beschlossen wir, doch in die Marine zu laufen. Nach einem geglückten Boxenmanöver mit viel Seitenwind lagen wir fest und begaben uns zur wohlverdienten Mittagsruhe, aus der wir prompt geweckt wurden, da offenbar während wir anlegten ein norwegischer Segler unsere (eigentlich grün gekennzeichnete) Box für vier Wochen reservierte und uns nun aus der Box vertreiben wollte. Die Hafenangestellte bestätigte dies leider, entschuldigte sich aber vielfach. Es war ihr peinlich, uns wieder wegschicken zu müssen, und sie gab uns sogar die Hafengebühr als Entschädigung zurück. Vielen Dank! Da sich der Hafen mittlerweile gefüllt hatte, ging es wieder in den Kanal – auf Empfehlung der Hafenmeisterin etwas weiter hinein, wo wir in der Tat gut lagen.  

Während wir im Hafen lagen, fielen viele (v.a. deutsche) Boote auf, die die Zeichen der Zeit (Baggerschiffe, gelbe Sperrtonnen vor der Südeinfahrt, fehlende Hafenmole, komische gelb-orange Bälle statt der Mole) nicht recht deuten konnten und prompt mit mehr (einige!) oder weniger Schwung vorwärts und/oder rückwärts auf die unter der Oberfläche liegenden Molenreste aufliefen. Möglicherweise haben wir einige weitere vor diesem Schicksal dadurch bewahrt, dass ich eine kurze Nachricht in der fb-Gruppe Ostseesegler postete.

Durch den Storebelt nach Nyborg

Am nächsten Morgen machten wir uns wieder auf den Weg und segelten bei halbem Wind zur Brücke über den Grossen Belt. Mit unseren 15.5 Metern Masthöhe passen wir gut unter der östlichen Durchfahrt (18m) durch. Grössere Schiffe fahren unter der Hängebrücke weiter westlich durch. 

Das wurde dann aber doch spannend, denn es sah bis zum letzten Moment nicht danach aus. Sicher auch eine Perspektivenfrage, da die Passage unter Eisenbahn und Autobahn hindurch ca. 50m lang ist. Aber Herzfrequenz und Blutdruck waren plötzlich bei allen sehr hoch…

Nach der überstandenen Brückenpassage mussten wir anluven und am Wind weitersegeln. Plötzlich wurde der Wind stärker und es ging nichts mehr. Gegenstrom bremste uns völlig aus. Wir beschlossen, die Fahrt zu verkürzen und direkt ins nahegelegene Nyborg weiterzufahren. Ein riesiger Hafen, reichlich voll, aber quasi nix los. Es schien, als sei die Stadt nach der Tour-de-France-Etappenankunft am 2. Juli in einen langen Erholungsschlaf gefallen. 

Wir blieben zwei Tage hier da weiterhin starker Westwind drohte und auch kam. Wir erwanderten uns die Stadt und ihre Umgebung. Besonders gefiel uns die Südspitze der vorgelagerten Halbinsel mit dem Leuchtturm und dem kleinen Vogelschutzgebiet.

Auf in die Südsee

Erst heute fuhren wir weiter nach Svendborg. Im Hafen von Nyborg tummelten sich derweil zwei Schweinswale. Wie angesagt hatten wir ca. 15kn Wind. Dazu waren Böen um 22kn angesagt. Nun ja. Statt Halbwind wurde es Amwind, statt 22er Böen kamen sie um die 30, teilweise um 35kn. Das schepperte ordentlich, und selbst bei kleinster Besegelung legte sich das Boot kräftig zur Seite. Immerhin gab es kaum Wellen dazu, da wir uns immer noch im Schutz von Fünen befinden.

Toll die Einfahrt nach Svendborg. Wir strebten den Stadthafen an, und prompt kam uns ein Hafenangestellter im gelben Motorboot entgegen, fragte nach Bootsgrösse und Aufenthaltsdauer, funkte kurz mit der Hafenchefin und wies uns dann einen Platz an. Zur Begrüssung gab es noch Lakritz für alle. Keinem von uns schmeckt es, aber trotzdem sehr nett. 

Die Stadt selbst ist hübsch. Bei unserem „Einkaufsbummel“ durch die Fussgängerzone fiel uns erstmals auf, dass ja Sonntag ist. Zum Abendspaziergang am Wasser entlang begrüsste uns noch der Svendborgsund-Delfin Yoda, der hier seit 3 Jahren lebt und die Besucher erfreut. 

Freitag, 8. Juli 2022

Ostseesegeln 2022 - Südwärts durchs Kattegat

Es gab in den letzten Häfen kein oder nur eingeschränktes oder nur sehr schwaches WLAN. Deshalb mussten neue Reiseberichte warten. Nun aber geht es weiter.

Laesö

Wir flüchteten rechtzeitig vor dem Start des Skagen Festivals aus Skagen und wollten bei mässigem NO-Wind entweder auf die Insel Hirsholm oder – falls dort kein Platz wäre – nach Frederikshavn auf dem dänischen Festland. Allerdings kam es anders als von Windfinder und Co vorhergesagt: So hatten wir NW Wind der Stärke 6 mit 7er-Böen. Die Wellen waren erheblich, konnten sie sich doch über Nordsee und Skagerrak bis hinein ins Kattegat aufbauen. Wir schätzen 1.5m, teilweise etwas mehr, die von hinten in kurzen Abständen unter uns durchrollten. Als es Zeit war, den Bug wieder landwärts zu richten, wollten wir das gar nicht. Es hätte bedeutet, die Wellen voll auf die Seite zu kriegen. Nach einem Blick auf die Karte und den Hafenplan beschlossen wir, direkt auf die Insel Laesö zuzusteuern. So konnten wir einen Kurs mit Wind und Welle von hinten fahren. Zudem konnte man im schlimmsten Fall ins Vorbecken des Hafens segeln und erst dort die Segel bergen. Das blieb uns erspart, aber die Fahrt wurde anstrengend, denn bei achterlicher Welle das Schiff auf Kurs zu halten, erfordert doch recht viel Konzentration. Ab und an kommt eine Welle leicht schräg und stört den Rhythmus, dann lehnte sich das Boot doch gewaltig zur Seite.

Aber wir kommen gut in Vesterö an – eine doch recht grosse Marina mit allen (ausser Internet) Annehmlichkeiten. Am nächsten Morgen liehen wir uns ein kleines Elektroauto – witzigerweise stand «Nr. 6» auf dem Schlüssel 

– und erkundeten einen Tag lang die Insel mit ihren abwechslungsreichen Landschaften und ihrer spannenden Geschichte. Wir sahen die Dünen, Sandstrände und Flachwasser im Süden und Osten, einen Seehund im Norden, die alte Salzsiederei und seetang-gedeckte Häuser mittendrin und den Osthafen in Österby.




An einem der Strände lag ein Skelett. Robbe oder Schweinswal? Wir haben auf letzteres getippt.


Nachtfahrt

Einen weiteren faulen Hafentag später fuhren wir bei angesagt schwachem aber sonst recht günstigem Wind und Sonnenschein südwärts. Das Ziel war Bönnerup, etwa 45sm südlich wieder am Festland gelegen. Dieses Mal war der Wind noch etwas schwächer als angesagt. Wir beschlossen dennoch zu segeln und das Unterwasser-Eisensegel ausgeschaltet zu lassen. So dümpelten wir mit 2kn entspannt unserem Ziel entgegen und erwogen die Optionen: (1) Asaa ansteuern, das erheblich näher liegt; (2) Motor an und nach Bönnerup oder (3) die günstige Wettervorhersage für die Nacht nutzen und weitersegeln durch die Nacht bis am nächsten Mittag in Ebeltoft. Wir entschieden uns für Option 3, da schliesslich ein so langer Törn nicht ohne eine Nachtfahrt sein kann, und wir so unser Portfolio der erledigten Dinge noch erweitern konnten. Alle freuten sich darauf und waren auch ein wenig angespannt. 

Die Jungs angelten Makrelen zum Abendessen, der Sonnenuntergang im Nordwesten hinter uns zauberte wunderbare Bilder und es kehrte an Bord eine gespannte Ruhe ein. Gegen 23 Uhr drehte wie angekündigt der Wind auf Ost, was uns halben Wind südwärts bescherte. Nicht schnell, aber stetig wollten wir so bis am Morgen um 6 segeln. Statt 6 Uhr kam der vorhergesagte Winddreher auf Süd aber leider bereits um halb 2. Wir machten ein paar halbherzige Kreuzschläge und entschieden dann, doch den Hafen von Grenaa anzusteuern. Wir fuhren den Hafenlichtern entgegen, hangelten uns an den Leuchttonnen entlang und erreichten die Hafeneinfahrt gerade als es hell wurde und alle Lichter ausgeschaltet wurden. Ein tolles Gefühl, auch das unproblematisch geschafft zu haben.


Grenaa

Nach ausführlichem Schlaf in den Vormittag – in der Nacht haben Melanie und ich doch eher nicht geschlafen – besuchten wir das direkt neben dem Hafen gelegene Kattegat-Center, ein lohnendes Riesenaquarium mit Fischen des Kattegats, Robben und einem Becken mit tropischen Haien. Toll und die perfekte Beschäftigung für eine leicht übernächtigte Familie.

Am nächsten Tag einkaufen, Wäsche waschen, Hafen erkunden und das Wetter studieren. 

Schlecht sieht es aus: Sehr viel Wind aus der falschen Richtung (W), dazu ab und an Regen. Das Panoramabild zeigt schon einmal den Unterschied zwischen geschütztem Hafenbecken und freier See bei etwa 6 Beaufort Wind.

Am Sonntagvormittag fällt nach langem Hin und Her die Entscheidung: Wir fahren noch los und wollen – ggf. auch mit Motor – noch etwas weiter südlich, von wo aus wir besser geschützt liegen und bessere Chancen haben, gegebenenfalls auch bei starkem Westwind noch etwas weiterzukommen. Dieses Mal ist uns Rasmus gnädig. Während Windfinder, Windy und wie sie alle heissen S-SO angeben, prophezeit der dänische Wetterdienst DMI Ostwind. Und den haben wir auch. Wir segeln bei schönem Wind und Wetter bis an die Südspitze von Djursland. 

Dort sehen wir in etwa 6sm Entfernung ein schweres Gewitter durchziehen, bergen die Segel und laufen direkt in die Schleuse zum Hafen von Öer.

Öer

Diese Marina wurde in einer gefluteten Kiesgrube eingerichtet. Weil ihr Wasserspiegel anderthalb Meter höher liegt als die Ostsee, gibt es eine Schleuse. Aber das kennen wir ja schon. Der Hafen liegt inmitten eines Feriendorfes, das auf den Inseln im Baggersee errichtet wurde. Um diese Inseln herum liegen Stege, an denen die Gastboote festmachen. Es gibt v.a. für die Jungs viel zu tun im Feriendorf – Minigolf, Riesentrampolin, Schwimmhalle, Fussballplatz etc. – aber der Service für Gastsegler wäre ausbaufähig. Man fühlt sich manchmal Teil des romantischen maritimen Ambientes – quasi Dekoration – für die Feriendorfgäste. Aber wir verbringen hier dennoch schöne Tage, erdulden den Starkwind und nutzen die Einrichtungen ausgiebig. Zudem besuchen wir mit dem ÖV das nahegelegene Ebeltoft mit der zum Museum ausgebauten Fregatte Jylland, wo die Jungs auch einmal unter Anleitung ein Hanfseil schlagen dürfen.

Zudem verbringen wir Zeit mit der Crew des Schweizer Schiffs «Sealion». Mit Ueli und Esther plaudern wir ausführlich über Schiffe, Fische, Segeln und mehr.

Wieder einige Tage später öffnet sich erneut ein Wetterfenster, das uns erlaubt, nach Süden aufzubrechen. Wir segeln bei anfänglich fast 30kn Wind, später deutlich weniger, die ganze Strecke von nur 16sm bis zur kleinen Insel Tunö – gleich westlich neben Samsö gelegen. Hier gefällt es uns auf Anhieb, wie bislang auf all den besonders kleinen, autofreien Inseln unserer Reise. Aber davon beim nächsten Mal mehr.