Montag, 13. Juni 2022

Ostseesegeln 2022 - Auf zum Götakanal

Landsort

Von Utö aus ging es weiter immer gegen den Wind. Nur kleine Stücke können wir segeln, und das eher aktiv: Segel hoch – Segel runter, Segel hoch – reffen – Segel runter… Wir landen auf der Insel Öja. Das ist eine ehemalige schwedische Bastion aus Zeiten des Kalten Krieges. Seit den 1990er Jahren ist die Insel aber (wieder?) bewohnt. Mit klapprigen Fahrrädern fuhren wir über die langgestreckte Insel durch Birkenwäldchen und Felsenlandschaft zum Südende. Dort gibt es einen malerischen kleinen Ort à la Bullerbü in der Nähe des Leuchtturms. Das ist übrigens der älteste noch in Betrieb befindliche Leuchtturm Schwedens.



Nochmal nach Broken

Leider war die Nacht auf Öja etwas unruhig, da am (sonst wunderschönen) nördlichen Hafen immer wieder mit Karacho Lotsenboote vorbeifahren und erheblich Schwell verursachen. Am nächsten Morgen ging es gen Broken – der erste Ort (und vielleicht einzige?) Ort unserer Reise, den wir ein zweites Mal besuchen. Wir konnten sogar einige Stücke gut segeln. Bei der Insel Krokholm bemerkten wir vor uns dichten Nebel und trauten uns nicht weiterzufahren. Also bogen wir in die Bucht ab und legten uns zunächst an eine Boje des Schwedischen Cruisingklubs. Dann versuchten wir, vor Heckanker an einen Felsen zu gehen um ein wenig die Insel erkunden zu können. Das misslang aber, da der Heckanker partout nicht halten wollte. Also beschlossen wir nach einigen gescheiterten Versuchen weiterzufahren – nicht ohne vorher unseren derzeitigen Gast wieder aufzuladen... Wir hängten uns einem schwedischen Segler an und folgten diesem in den Dunst. Der Nebel erwies sich als gar nicht so dicht, wir kamen letztlich recht problemlos durch die Fahrwasser bis nach Broken. 

Und wie es so ist – beim zweiten Mal ist es doch nicht mehr ganz so schön. Es waren etwa 15 Boote da (im Unterschied zu einem beim letzten Mal). Das Wetter war zwar schöner und der Anker hielt wie eine Eins, aber irgendwie war es nicht ganz so entspannt. (Natürlich: Das ist Klagen auf hohem Niveau. Wunderschön ist die Insel immer noch.)

 Auf zum Kanal

Von Broken aus nahmen wir uns vor, an Arkösund vorbei direkt nach Stegeborg weiterzufahren. Wieder konnten wir etwas mehr als am Vortag segeln. Auf dem Weg passieren wir zwei holländische Plattbodenschiffe.

Das Wetter war wechselhaft, aber die Fahrt wurde immer schöner. Besonders die sich verjüngenden Fjorde hinter Arkösund in Richtung Mem gefielen uns sehr gut. Stegeborg hatte auch Potenzial uns zu gefallen. Die Ruine auf der kleinen Insel sieht sehr interessant aus. Leider war der Gasthafen bereits voll und wir wurden mehr oder weniger wieder weggeschickt. So fuhren wir direkt nach Mem am Eingang zum Götakanal weiter, wo wir jetzt seit zwei Tagen liegen und darauf warten, dass am 14. Juni (also morgen) die Hauptsaison beginnt und wir einschleusen können. Vor uns geht aber sicher noch eines der Kanal-Kreuzfahrtschiffe die Schleuse hinauf. Die «Wilhelm Tham» lief heute ein und wartet für morgen früh auf ihre Schleusung. Die Fahrt in kleinen Kabinen mit Doppelstockbetten und Etagen-WCs soll ein einmaliges Erlebnis sein.

Auf uns warten etwa 220 sm Kanal- und Seenfahrt mit insgesamt über 60 Schleusen, die uns auf 92 Höhenmeter und wieder zurück auf Ostseeniveau und nach Göteborg bringen werden. 

Mittwoch, 8. Juni 2022

Ostseesegeln 2022 - Am nördlichsten Punkt der Reise

Nach Stockholm

Aus den Schären fuhren wir in den Södertäljekanal und passierten dort die Schleuse in den Mälarensee, einen riesigen weitverzweigten See, der sich von Stockholm aus weit nach Westen erstreckt. Im kleinen und versteckten Naturhafen Rastaholmen legten wir einen Zwischenstopp ein, bevor wir uns zwischen den Inseln in Richtung Stockholm weiterschlängelten. Dort zunächst einmal unter einer Brücke hindurch. Hier habe ich zum ersten mal aktiv am Seefunk teilgenommen und die Brückenöffnung erbeten.

Dann folgte die Schleusung 40 cm wieder hinunter in die Ostsee (durch die Hammerbyslussen) und dann durch eine weitere Klappbrücke mitten hinein ins quirlige Hafenleben von Stockholm. Dort passierte so einiges: Abiturienten feierten ihre Abschlüsse lautstark singend auf gecharterten Ausflugsschiffen. In einer Ecke des Hafens stand ein riesiger amerikanischer Flugzeugträger, und zahlreiche andere Marineschiffe waren auch anwesend - moderne wie auch museale Stücke. 



Im Hafen erfuhren wir, dass die schwedische Marine ihr 500jähriges Bestehen feiert. Zudem ist am 6.6. auch noch Nationalfeiertag. Da machten wir einen kleinen Ausflug mit klapprigen gelben Hafenvelos und landeten prompt im Spalier für den vorbeikutschierten König Carl XVI Gustaf. 

Das alles war unsererseits ungeplant, da wir vor der Ankunft in Stockholm von alledem nichts wussten. 

Wunderbar und sicher einen Besuch wert sind ausserdem das Wasamuseum und Skansen. Das berühmte Museum präsentiert unglaublich eindrucksvoll das Schiff Wasa, das aufgrund eines Konstruktionsfehlers auf der Jungfernfahrt 1628 nach anderthalb Meilen kenterte und sank. Die beinahe vollständige Bergung und Restaurierung des Wracks in den 1950er bis 70er Jahren erlaubt heute tiefe Einblicke in das Leben des 17. Jahrhundert.

Skansen ist vieles auf einmal: Zoo nordischer Tiere, Vergnügungspark und Freilichtmuseum. Wir verbrachten dort einen tollen und abwechslungsreichen Tag.


Die Entscheidung: Wir fahren wieder südwärts

Vor Stockholm war noch unklar, wie es genau weitergehen sollte. In Stockholm fiel die Entscheidung. Schweren Herzens verzichten wir aus Zeitgründen auf die Aland-Inseln. Es läge zwar knapp drin, aber dafür käme man aufs Ende hin vielleicht noch in Stress, und das wollen wir doch lieber vermeiden. Also beschliessen wir, den Bug wieder nach Süden und Westen zu lenken. Vorerst wollen wir durch die Stockholmer Schärengärten wieder in Richtung Arkösund fahren. Dort entscheidet sich dann, ob wir schliesslich doch durch die Kanäle und grossen Seen in Richtung Göteborg fahren. 

Die erste Südetappe führte uns durch den engen Skurusund an Saltsjöbaden vorbei zur Insel Härsö, wo wir uns mit Wolfgang und Andrea von der moeck moeck verabredet haben. Ein vorerst letztes Treffen auf dieser Reise, denn sie werden weiter nach Norden fahren. Es war schön mit Euch einige Stücke der Reise teilen zu dürfen!


In Härsö nahmen wir bei herrlichem Wetter und annehmbarer Wettervorhersage Abschied. Kaum waren wir aber einige Inseln weitergefahren, bliesen uns statt der angesagten 3 Bft satte 6-7 entgegen. Glücklicherweise gut zwischen den Inseln, da waren die Wellen kaum der Rede wert. Das änderte sich, als wir auf dem Weg nach Utö die geschützten Fahrwasser nördlich der Insel Ornö verliessen. Hier hatte der Wind Platz und konnte eine hohe (1-1,5m) und unangenehm kurze Welle aufbauen, die uns genau entgegenkam. Segler auf Gegenkurs waren mit Vorsegel bei den 22-29 kn Wind noch recht entspannt unterwegs und schaukelten auf den durchlaufenden Wellen dahin. Wir dagegen hatten das genau gegenan: Gefühlt also 27-34 kn Wind und ein Schiff, das von einer Welle in die nächste kracht. Mit Segeln war da schon lange nichts mehr. Gegen die Wellenberge wären wir nicht angekommen. Also unter Maschine nach Utö, wo wir einmal mehr vor Heckanker liegen und die Annehmlichkeiten des Hafens sowie die Schönheiten der Natur geniessen.

Mittwoch, 1. Juni 2022

Ostseesegeln 2022 - Auf in die Schärenwelt

Jetzt geht es endlich weiter mit unseren Reiseberichten. In den letzten Häfen gab es entweder kein WLAN oder es war so langsam, dass an neune Text und Fotos nicht zu denken war. Hier also eine Zusammenfassung unserer letzten Segeltage:

Figeholm - Västervik

Unsere Freunde sind in Västervik wieder von Bord gegangen. Am verregneten und böigen Samstag blieben wir dort und sahen uns die Stadt an. 

Västervik - Fyrudden

Erst am Sonntag ging es weiter - durch die ersten wirklichen Schärenfahrwasser nach Norden. Bei herrlichem Wetter konnten wir uns gar nicht recht vom Segeln trennen und fuhren gleich nach Fyrudden, wo wir eigentlich erst nach zwei Etappen hinwollten.

Fyrudden - Arkösund

Und der Folgetag erst: Super-Segelwetter, enge Fahrwasser, fantastische Schärenwelten und unzählige Kummel, Stangen, rote Tonnen, grüne Tonnen, schwarz-gelbe Tonnen und natürlich Leuchttürme und Leuchttürmchen.







Arkösund - Broken

Der Tag begann regnerisch, sollte aber windtechnisch gut werden. Es wurde sehr regnerisch und windiger als gedacht. Aber wir fuhren weiterhin unter Segeln durch die engen Schärenfahrwasser. Vorab hatten wir uns die kleine Insel Broken als Ziel ausgesucht - und das hat sich gelohnt. Die Insel und ihr kleiner Hafen gehört zum Segelklub von Nyköpping und wird von dessen Mitgliedern vorbildlich betrieben. Es gibt einen langen Schwimmsteg, an dem man auf ca. 4m Tiefe vor Heckanker festmacht. Das Anlegen mit Heckanker mussten wir auch erst dreimal üben, bevor es klappte. Auf der Insel mehrere Trockentoiletten und eine Saune mit Meerblick. Ansonsten viel Stille und Natur. Die Jungs haben dort ihren ersten Barsch geangelt, der unser Abendbrot ergänzte. 

Broken - Skansholmen

Wir wollen durch den Södertäljekanal nach Stockholm. Die erste Etappe dorthin haben wir gemeistert. Nach einem Schönwettertag und den bislang engsten Schärendurchfahrten unserer Reise bogen wir in den langen Fjord ein, der nach Södertälje führt. Der Südwind im Kanal auf dem Weg nach Norden bescherte uns schönes Schmetterlingssegeln.

Auf halber Strecke liegt der Hafen Skansholmen, wo urplötzlich mächtige Böen das Schiff schüttelten und unsere Anlegeroutine ganz schön durcheinanderbrachten. Die Jungs gingen angeln und brachten schon den zweiten Fisch mit...

Kurzstatistik
Gefahren: 591 sm, davon 352 sm reines Segeln, einige Seemeilen Motorsegeln, Rest unter Maschine.

Gefangen: 2 Barsche.

Inseln: Fehmarn, Hiddensee, Rügen, Bornholm, Christiansö, Utklippan, Öland, Blaue Jungfrau, Broken, Mörkö.


Mittwoch, 25. Mai 2022

Ostseesegeln 2022 - Stora Rör bis Figeholm

Sturmabwarten in Sandvik

In Stora Rör sahen wir schon aus den Vorhersagemodellen, dass uns ein wenig Starkwind bevorstehen würde. Da wir vorher noch etwas Nord machen wollten, beschlossen wir Borgholm auszulassen und stattdessen direkt nach Sandvik, etwa 10sm weiter nördlich gelegen, weiterzufahren. Zunächst war der Wind sehr schwach und kam direkt von vorn.

Bis zur Höhe von Borgholm unternahmen wir drei Segelversuche, aber eigentlich war es eine reine Motorfahrt. Dahinter setzten wir bei nun etwas raumerem Wind die Segel wieder und warteten einfach mal ab. Tatsächlich: Der von der Vorhersage versprochene Winddreher aus SE kam mit drei Stunden Verspätung und brachte uns eine rauschende Fahrt nach Sandvik ein. Dort gibt es einen wunderbaren Fischladen direkt am Hafen, dazu einen langen Steinstrand, der durch die Hafenbefestigungen vor dem angesagten Sturm geschützt ist und zum ersten freiwilligen Ostseebad "einlud"... 

Am nächsten Morgen war es zwar zugig, aber von einem Sturm war nicht viel zu sehen. Der kam dann über Mittag mit durchschnittlich - geschätzt - über 30kn, in Böen durchaus auch mal über 40. Nichts zum draussen rumsegeln jedenfalls. Wir schlugen ein wenig Zeit tot...

... beobachteten die unglaublich elegant fliegenden Schwalbenmöwen...

... machten einen Spaziergang der Küste nach zu einem nahegelegenen Sumpfgebiet und buken sogar noch einen leckeren Rhabarber-Streuselkuchen.

Noch eine kleine Insel

Am Mittwoch sollte es weitergehen. Ich hatte mich einfach aus Spass und Interesse in Sandvik bereits am Dienstag bei anwesenden Fischern nach einer Möglichkeit erkundigt, die "Blaue Jungfrau" zu besuchen - eine kleine, sagenumwehte Insel mitten im nördlichen Ausgang des Kalmarsundes. Sie rieten vorsichtig zu und beschrieben die von ihnen empfohlene Anlegestelle als wahrscheinlich mit viel Vorsicht gut befahrbar, wohl etwas über 2m Wassertiefe. Der junge Mann machte einen vertrauenswürdigen Eindruck. Und so reifte der Entschluss schnell: Erst zur Insel für einen Zwischenstopp, dann weiter nach Figeholm. Wir legten gegen 8 Uhr ab und segelten mit gutem Wind los. Bei der Insel angekommen begrüsste uns ein Seeadler in elegantem Segelflug. Wir tasteten uns langsam an die Anlegestelle heran. Erst im sechsten Anlauf gelang uns das Manöver, zu dem wir keinerlei Anleitung hatten. 

Also, falls es jemand mit Segelboot probieren möchte, wir haben es so gemacht: Anlegestelle ist die kleine Bucht hinter dem weissen Leuchttürmchen im NW der Insel - Sikhamn. Dort kommt der Inselrundweg mit seinen Drahtgeländern herunter bis ans Ufer - Zeichen dafür, dass hier in der Hochsaison die Ausflugsschiffe anlegen. Genau unterhalb der Geländer befinden sich mehrere Ringe, an denen ein Boot längsseits gut Platz hat - wir machten es mit Steuerbord. Ob es andersrum auch geht - keine Ahnung. Mehr als 2m Tiefgang dürften aber nicht zu empfehlen sein, wenn man beim Herantasten noch ein wenig Spielraum zum Manövrieren behalten möchte. Dafür hat man in der Anfahrt rechts vom Anlegeplatz etwa 10m zur Verfügung. Das haben wir erst einmal drei Runden lang vorsichtig ausgekundschaftet - sehr zu empfehlen. Letztlich sind wir (sehr langsam, wir wollen schliesslich im Fall einer Felsberührung keinen grösseren Schaden anrichten!) in ca. 45°-Winkel an die beiden untersten Ringe herangefahren. Vorne warfen wir eine kurze Leine über einen der Ringe und dampften vorsichtig rückwärts ein. Dann stieg einer mit der langen Achterleine in der Hand vorn über und zog am hinteren Ring das Achterschiff an den Felsen, während vorn die Leine entsprechend gefiert (locker gelassen) wurde. Dann mehrere Leinen an die zur Verfügung stehenden Ringe. Dass für das Ganze die Steuerbordseite dick und doppelt und dreifach abgefendert war, versteht sich. Am Liegeplatz selbst fällt der Fels lotrecht ins Wasser. Mein Echolot zeigte mir 2m unter Kiel, also ca. 3.5m Wassertiefe an. Beim rückwärts Rausfahren fiel das kurz auf 0.8m, aber auch das sollte noch reichen. Ansonsten geht es sehr steil zu - es wird erst 25-50m vor der Insel selbst wirklich flach, sinkt beim Wegfahren schnell wieder auf über 30m. 

(Disclaimer: Ich übernehme keine Gewähr für die obigen Angaben. Jedes Boot ist anders, jede Crew reagiert anders. Verantwortlich ist allein der jeweilige Skipper. Vielleicht hatten wir nur Glück, und wenige Meter rechts oder links wäre es schon zu flach gewesen.)

Die Insel selbst ist sehenswert: Der Blick öffnet sich über den Kalmarsund von Öland bis Okarshamn. Die Granitfelsen sind beindruckend. Ein toller Platz für einen mittäglichen Zwischenstopp. Der heute auf einer Seite bewölkte, auf der anderen blaue Himmel lässt es scheinen, als habe man es mit zwei verschiedenen Gewässern zu tun.

Am Nachmittag fuhren wir weiter in Richtung Figeholm. Nach dem ersten Anleger am Fels wollten wir nun auch unser erstes Schärenfahrwasser erleben. Und das wurde was. Kurz vor der Einfahrt ins Fahrwasser war Schluss mit dem beschaulichen Leichtwind-Vorwind-Segeln. Es begann plötzlich von vorn mit 6 Windstärken zu kacheln. Wir rollten das Vorsegel ein und hatten selbst mit nur dem recht offen gefahrenen Grosssegel gut gegen den Windversatz anzukämpfen. Die Schärenlandschaft entschädigte uns für die damit verbundene Aufregung. 

Wir erreichten letztlich ohne Probleme den idyllischen Ort Figeholm mit seinem beschaulichen Bootshafen. 

Das war ein unglaublich schöner, aufregender, spannender und bereichernder Segeltag.

Sonntag, 22. Mai 2022

Ostseesegeln 2022 - Kalmar und weiter

Ruhetage in Kalmar

In Kalmar haben wir das erste Mal mit Heckboje angelegt. Man fährt langsam so an die Boje, dass jemand an der Seite des Schiffes einen Festmacher durch die Öse fädeln kann (oder man hat einen Bojenhaken, wir aber nicht). Mit Hilfe dieser Leine und der Boje kann man dann die Vorwärtsfahrt in Richtung Steg besser kontrollieren. Weiter geht es also bis dicht an den Steg. Dort steigt jemand über, fädelt die Vorleine durch den Ring, und schon ist man fest. Nur noch ein bisschen austarieren mit den Abständen und Leinenlängen, fertig. Das klappte fürs erste Mal recht gut, nur dass wir ausgerechnet eine zu kurze Achterleine parat hatten. Wir waren noch lange nicht am Steg, als Melanie rief, dass die Leine zu Ende ist. Also schnell mit zwei Palsteks eine zweite Leine rangeknüppert. Wenn's schnell gehen muss, geht das natürlich erstmal schief, aber im dritten Versuch kriege ich dann doch die zwei Knoten hin. 

Den Freitagvormittag verbrachten wir mit Einkäufen, Wäsche, Boatschooling und etwas Bootsputz. Am Nachmittag lag dann doch noch ein Spaziergang durch die pittoreske Stadt und ein wirklich fantastisch gutes Eis aus der Gelato Factory drin. 

Da die Museen schon geschlossen waren. Wir vertagten das einfach. 

Am Samstagmorgen (übrigens der erste Regentag unserer Reise) kam die Nachricht, dass unser Besuch schon am späten Vormittag eintreffen würde. Um 11 Uhr holten wir die beiden am Bahnhof ab. Nach dem Mittagessen ging es dann zu sechst in Richtung Länsmuseum. Hauptgegenstand dieses Museums ist die "Kronan", das Prachtschiff der schwedischen Marine im 17. Jahrhundert. Am 1. Juni 1676 brach sie in die Schlacht vor der Insel Öland auf, wo sie ohne Feindeinwirkung unterging: Man hatte wohl - weil sich die Offiziere nicht einig waren - zu viel Segel stehen lassen. Dann wurde bei schweren Wetterbedingungen seitens der anderen Schiffe eine Wende befohlen, und in der legte sich die Kronan weit zur Seite über. Da die Kanonen (ca. 120 Stück) nicht ausreichend gesichert waren, rollten die von der einen Seite erstmal quer durchs Schiff auf die andere, und dann explodierte noch aus ungeklärten Gründen das Pulverlager. Von 842 Mann an Bord kehrten nur 42 zurück. 

Das Museum erzählt die Geschichte sehr anschaulich und berichtet auch von der Erforschung und stückweisen Bergung der Kronan. Viele Fundstücke aus den verschiedenen Teilen des Schiffes lassen tiefe Einblicke in das Marine- und Seefahrerleben des 17. Jahrhunderts zu. 

Weiter nach Norden

Am 22. Mai warfen wir am Vormittag in Kalmar die Leinen wieder los. Ablegen von der Heckboje ist fast so schön wie anlegen: Einer gibt vorn langsam Lose in die Leine, während ein anderer die Heckleine dichtholt und das Boot so von Hand zur Boje zieht. Vorn los, hinten los, Rückwärtsgang einlegen, und weg ist man. Die Windvorhersage war eher schlecht, wenig Wind, und das genau von vorn. Kreuzen oder Motoren? Wir entschieden uns für ersteres und versuchten so viel wie möglich Höhe zu laufen, um den Kalmarsund in Richtung Norden verlassen zu können. Es ging langsam aber doch stetig voran. Da uns die Option, später doch noch motoren zu müssen, nicht recht gefallen wollte, beschlossen wir am Mittag, statt Borgholm einfach den kleinen Hafen Stora Rör auf der Insel Öland anzulaufen. Eine gute Entscheidung. Es ist ganz wunderbar friedlich hier. 


Ein Boot im Hafen hat allerdings den Winter nicht so gut überstanden.

Die Kinder haben die Angeln ausgepackt.

Und endlich kommt auch unser dazugemietetes Dingi zum Einsatz. Da es der erste Einsatz des Dingis überhaupt war, beschlossen wir, es auf den Namen "Nr. 7 1/2" zu taufen. 

Aufgepumpt war es schnell. Nur einer der beiden Riemen ("Ruder") musste erstmal repariert werden. 

Das mit den Reparaturen haben wir ja inzwischen ohnehin recht gut weg. Immer mal wieder gibt es was zu basteln. Am Donnerstag Morgen gab es im Schiff einen Knall, und ein verdattertes Kind schaute uns aus dem Salon an, in der Hand eine aufgepustete Rettungsweste. Diese Automatikwesten haben neben dem automatischen Wasserdruckauslöser (eben: wenn man ins Wasser fällt, soll sich das ja aufpusten) auch einen manuellen (falls man im Wasser ist und die Weste sich nicht aufgepustet hat). Der manuelle Auslöser ist eine kurze Kordel mit einem roten Knopf am Ende. Eben der hatte sich irgendwo in einem Ritz verklemmt, und beim Versuch, die Weste mit Schwung zu befreien, hatte es den erwähnten Knall gegeben. Im Bootszubehörladen in Kalmar erhielten wir eine Ersatzpatrone, und dann konnte ich mich ans Werk machen und die wieder abgelassene Weste zusammenfalten und in ihre ursprüngliche Form zurückbringen. Cool - auch das hätten wir also mal gemacht.

Donnerstag, 19. Mai 2022

Ostseesegeln 2022 - Zum schwedischen Festland

Die kleinen Inseln

In Rønne auf Bornholm lernten wir Wolfgang und Andrea von der "moeck moeck" (eine Schöchl Sunbeam 36.1) kennen, die für einige Zeit den gleichen Weg haben. Bis Kalmar reisten wir jetzt mehr oder weniger parallel, waren gemeinsam in Christiansø und auf Utklippan und liegen jetzt auch wieder im gleichen Hafen in Kalmar. Sie berichten von ihrer Reise auch in einem Blog. Sehr zu empfehlen!

Wir brachen also nach unserer Starkwindtour von Tejn aus wieder auf und fuhren bei wenig Wind gemütlich segelnd zu den nur 12sm entfernten Erbseninseln. Schon bei der Anfahrt wurden wir von einigen Bewohnern der Insel begrüsst: Kegelrobben. Von denen gab es dann noch viele zu bewundern, die sich vor der NO-Küste auf einem Felsen tummelten. Leider haben wir keine Teleobjektiv-Kamera dabei, so dass es die Vergrösserung der Handy-Kamera tun muss.


Daneben halten sich gerade verschiedenste Vögel auf den Inseln auf, entweder um auf der Durchreise nach Norden oder Süden auszuruhen oder um zu brüten, wie diese Eiderente gerade am Wegrand.

Die Erbseninseln sind bis dahin mein eindeutiger Lieblingsort dieser Reise. Phantastische Landschaft, Tierwelt hautnah, eine kleine Bevölkerung. Wir gönnten uns ein teures aber reichhaltiges und leckeres Abendessen in der lokalen "Gaestgiveri" und natürlich den Sonnenuntergang.

Am nächsten Tag segelten wir weiter - es ging nach Schweden, und das erste Ziel waren noch kleinere Inseln: die Schäreninseln von Utklippan. Dazu mussten wir die "Autobahn" queren, durch die der Grossschiffsverkehr in der Ostsee geleitet wird. Ohne AIS war es spannend: Gehen die wirklich alle noch vor uns quer durch? Wird die Unibaltic, die da noch kommt, ausweichen? Tatsächlich, sie dreht leicht nach Steuerbord ab und passiert hinter uns. Da sind wir offiziell schon in Schweden und packen die zweite unserer Gastlandflaggen aus. 

Von Utklippan sieht man zuerst den Leuchtturm, später erkennt man dann die ringsum im Wasser liegenden Felsen. Nach der Einfahrt in den kleinen Hafen stellt sich heraus: Hier ist nix los. 


Nur die moeck moeck ist schon da - erwartungsgemäss, denn sie haben das grössere Vorsegel und können höher an den Wind als wir. Unterwegs hatten wir sie gesehen - eine halbe Stunde nach uns aufgebrochen, aber bald schon sahen wir sie etwa eine Meile an Steuerbord an uns vorbeiziehen. (Das dauert seine Zeit beim Segeln, aber ist doch deutlich zu erkennen.) 

Zum schwedischen Festland und nach Kalmar

Am nächsten Morgen brechen die beiden schon einmal auf, wir bleiben noch einige Stunden. Dann machen wir nur einen kleinen Sprung von 12sm nach Sandhamn und erreichen damit das schwedische Festland. Der Hafen selbst ist hübscher als nach der Lektüre des Revierführers erwartet. Man kann es hier aushalten. Es gibt sogar Fahrräder am Kai, die man einfach für eine kleine Runde in der Gegend benutzen darf.

Dann kommt erstmal der Geburtstag vom Jüngeren. Kuchen ist gefragt, und tatsächlich: Mir gelingt in der Bootsküche mit ihrem rudimentären Gasbackofen ein halbwegs passabler Aprikosenstreuselkuchen.

Am Geburtstag (also heute) stand am Morgen die Entscheidung an: in einer Etappe 45sm bis Kalmar oder noch ein Zwischenstopp. Nach einem Blick auf den Wetterbericht (3-4 aus Süd heute, 3-4 aus Nord morgen) entscheiden wir uns für die lange Etappe. Wieder mal der Wind, und dieses Mal in der bekannten Düse des Kalmarsundes: Es sind eher 6 Windstärken genau von hinten, und grosse Wellen laufen auch von hinten unter dem Schiff durch. Solange man konzentriert steuert, gibt das wunderbare Schiffsbewegungen. Man wird angehoben, kurz abgebremst und dann die Welle runter wieder ordentlich beschleunigt. Kommt man mal vom Kurs ab, schaukelt es aber gewaltig. Unterwegs begegnen wir zunächst zwei Militärschiffen bei Manövern. Das macht mich etwas nervös, weil ich aus ihren Bewegungen nicht klug werde und nicht recht weiss, ob ich nun ausweichen muss oder nicht. Wir hielten vorsichtshalber einmal gehörig Abstand. Dann trafen wir einen traditionellen Dreimaster - ein toller Anblick.

Nach einer gefühlt unendlichen Fahrt durch den Kalmarsund von einer Ost-Kardinaltonne zur nächsten erreichten wir endlich den Leuchtturm an der engsten Stelle des Sundes...

... und kurz darauf den Hafen von